[divalent gestrebt, unendlich)

Und wo es sonst so hinführt.

»Ach, was ich weiß, kann jeder wissen - mein Herz habe ich allein.« - Die Leiden des jungen Werther - Am 9. Mai 1772

Impression. Impression. Impression.

Wenn die Sonne nicht zu uns kommt..

..dann müssen wir ganz einfach selbst hin.

Wenn die Sonne nicht zu uns kommt..

vom 11. Oktober 2014

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Lösch mir die Augen aus

Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehen,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.

Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.


R. M. Rilke, Lösch mir die Augen aus

vom 4. Oktober 2014

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Ich erinnere

Ich erinnere ein Bild,
es zeigte zwei
von uns
in liebender Statur
der Gebung hin und
zwigewachsen.

Doch Bilder sprechen nie
es zählt nur der Augenblick,
drum bleib nicht fern
komm nah
ganz so
als seist du nie entwachsen.

vom 4. Oktober 2014

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Ewig lieb

Ewig lieb
dein Antlitz mild
wie könnte ich vergessen,
dich geküsst
dich geliebt
im Herzen tief vermessen.

Dich gebaut
dein Bild geborgen
in honigsüßem Gedicht.
Dich umrahmt,
die Haut umworben
fand ich lächelnd dein Gesicht.

Als ich mich erkannt,
den Augen versunken;
Das Meer und das Land
sind ein ungleiches Paar.
Ach, was war ich
von Glück betrunken,
und doch weiß ich
was ich in dir sah.

vom 28. September 2014

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Nur zwei Dinge

Durch so viele Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
– ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.


G. Benn, Nur zwei Dinge

vom 28. September 2014

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Wenn der Tag die Nacht besiegt

Am Morgen ist diese Stadt einzigartig. Eingedeckt im blau- und rotblassen Aufwachen liegt sie da und wird von einer schonungslosen Unschuld überzogen. Nur leichte Bedenken von Schleierwolken umkreisen die junge Sonne und einige Krähen sitzen mit mir oben auf den Dächern und geben ihre Stimme in den Tag hinein.

Es ist zu fühlen, wie der Tau an den alten Blüten bricht; sie umwirbt und an ihnen hinabfällt. Es ist zu spüren, wie leichte Nebelschleier über dem Waldboden zum Erliegen kommen und ihren kurzen Moment genießen, als sei er unendlich.
Darüber färben sich die ersten Blätter in den Baumkronen gelblich güldenrot und voller Sehnsucht in den Herbst hinein, als seien sie nur dafür gemacht. Langsam erheben sich auch die goldenen Lichtwellen und fluten die Körper und Stimmen der rufenden Krähen, die Schönheit der Blüten, die Andacht der Baumkronen und dringen vor zum feucht-jungen Moos, das die Erde bedeckt.

Es ist ganz windstill, denn es gibt keinen Grund für die tosenden Luftmassen, die die drolligen Menschenköpfe durchwirbeln und ihre dunklen Gedanken wegschieben; denn es gibt sie nicht, zumindest noch nicht. Eingehöhlt in ihren Menschen, eingehöhlt in einem dicken Geflecht aus Decken und Kissen und Träumen der vergangenen Nacht schlafen sie ja alle noch und tanken Kraft für ihren neuen Krieg der Selbstbehauptung auf den Straßen, in den Supermärkten, den Galerien und Museen, den Cafés, in den Familien und auf den Sportplätzen.

Natürlich bin da auch noch ich, und auch Mensch und auch ich habe meine zwiträchtigen Gedanken, die kämpferisch sind; voll Eifer und egoistischer Liebe.
Es ist nur: wenn du die vollkommende Schönheit zulässt, die dir die Natur an einem solchen Morgen diktiert als sei es eine ihrer leichtesten Übungen; wenn du sie erkennst und annimmst: »Na, wer bist du da schon?«

vom 27. September 2014

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Wege

Der schönste aller Wege ist der, den Du voll Überzeugung in Deinem Herzen trägst. Du kannst ihm nicht immer folgen, sonst würdest Du mitunter seine Schönheit verkennen; doch Du kannst ihn wissen, ganz tief, ganz beherbergt in einem Gedicht, das sich tief in Dir ein Zuhause geschaffen hat.

Von all den Träumen, die ich wohl hatte, die man unweigerlich hat, oder haben sollte, so man denn jung ist und Mensch, vor allem aber Mensch; denn man könnte auch alt sein und trotzdem ganz wunderbar träumen, auch wenn einem im Altsein meist noch anderes hält als die Hingabe zu Phantasmen;
von all den Träumen waren mir jene die lieben, die sich nicht im Konjunktiv erschließen ließen. Die nicht sagen »ich würde ja gerne«, sondern »ich werde« oder doch zumindest »ich will«. Denn der Konjunktiv, so wunderbar er für Denker ist, für Wortklaubereien und Weltrettungsdiskussionen, so unbrauchbar ist er für das einzelne, für das echte Leben. Weil er Hintertüren lässt, Platz für Unsicherheiten und Zweifel; kurzum: weil er schwach ist. Etwas, das in der Jugend noch seinen natürlichen Charme hat, ist in einem Leben fehlplatziert, das vorankommen will, das Ziele kennt, sich seine Schuhe anzieht, seinen Rucksack aufsetzt und aufbricht um irgendwann genau dorthin zu gelangen.
Solange wir uns aus der Unsicherheit heraus immer nur in vagen Möglichkeiten hin und her bewegen, werden wir zwar punktuell voran kommen, aber auch immer wieder zurückfallen, um dann später doch wieder fragend auf der gleichen Stelle zu stehen und uns verzweifelnd schüchterne Blicke zuzuwerfen.

Tatsächlich sind die Menschen mir die interessantesten, die lieber mit 180 gegen die nächste Wand fahren, als jene, die mutlos alle Möglichkeiten evaluieren und waglos bleiben. Das mag im ersten Moment sadistisch klingen, ist aber nur zu einem kleinen unleugbaren Teil in mir so gemeint. Menschen, die sich erlauben, auch mal Fehler zu machen, auf der großen Reise ihres Lebens auch mal neugierig unwissend den vermeintlich unglücklicheren Pfad einschlagen und dies voller Überzeugung tun, haben etwas in sich, von dem die ewig Unschlüssigen in ihrer Komfortzone maximal eine ferne Ahnung haben: Visionen.
So werden nicht die die Glücklichen sein, denen nie etwas zugestoßen ist, weil sie nie etwas gewagt haben, sondern die, die unwissend lachend in die wilden, tosenden Fluten sprangen. Ganz einfach weil auch zu wissen, was man nicht will, uns näher an das bringt, was wir wollen – zumindest doch wohl näher, als eben gar nichts zu wissen.

vom 20. September 2014

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