[divalent gestrebt, unendlich)

Und wo es sonst so hinführt.

»Ach, was ich weiß, kann jeder wissen - mein Herz habe ich allein.« - Die Leiden des jungen Werther - Am 9. Mai 1772

Impression. Impression. Impression.

die gitter

der zweite weihnachtsmorgen zweitausendzwölf. dunkle, tiefsitzende wolkenburgen spielen noch ein wenig mit dem goldenen gelb der aufgehenden sonne. es scheint warm zu sein, flüstere ich in die decke. betrunken von der nacht gehe ich im slalom durch die kleiderhaufen der letzten tage. in all ihnen hängen düfte von lebkuchen, von sinnen, von alkohol und rauch. in ihnen sind auch die buchstaben gestürzt, die sich irgendwann in dem kleinen zwischendirundmir verirrten und sich dann lieber einhingen als auf den boden zu fallen, wo sie eh nur festgetreten würden von dem nächsten vorbeistürmenden leben mit seinen ganz eigenen spuren und worten im wind.
ich reiße die balkontür auf und schmeiße den ganzen kram zwischen weinflaschen, naturjoghurt und ‘energietalern’, die vor lauter energie am liebsten schon selbst vom turm springen würden. natürlich, rollen meine augen den anbandelnden gutmenschenaber!-shitstorm zwischen meinen verkaterten hirnwänden ab. heute ist echt blöd. kannst du bitte morgen wiederkommen?
zurück in der wohnung schleiche ich mit nackten füßen über den boden und schieße einen korken richtung küche. mit einem eingeschnitzten herz, stelle ich lächelnd fest und werfe ihn in den müll.

erst im großen zimmer fällt mir die andersartigkeit auf, die boden, kommoden und tische an diesem morgen bedeckt. brecht und kafka, gil, goethe, bregy, strubel – als habe ich etwas gesucht, liegen sie hier und dort mit ihren ausgebreiteten buchrücken auf dem bauch und erinnern an kleine falken, die das fliegen lernen wollen.
nur benn liegt offen und bricht den raum in worttriefende spalten. manchmal tue ich das, bücher so liegen zu lassen; vielleicht in der irrlichten hoffnung, ihre zeichen könnten sich lösen und die wände vollschreiben und gleich hiernach die welt.

Die Gitter

Die Gitter sind verkettet,
ja mehr: die Mauer ist zu -:
du hast dich zwar gerettet,
doch wen rettetest du?

Drei Pappeln an einer Schleuse,
eine Möwe im Flug zum Meer,
das ist der Ebenen Weise,
da kamst du her,

dann streiftest du Haar und Häute,
alljährlich windend ab
und zehrtest von Trank und Beute,
die dir ein Anderer gab,

ein Anderer – schweige – bitter
fängt diese Weise an –
du rettetest dich in Gitter,

die nichts mehr öffnen kann.

/g.benn

Komm! Lass uns tanzen..

Wo ist dein Wort?


(wird versteckt)