[divalent gestrebt, unendlich)

Und wo es sonst so hinführt.

»Ach, was ich weiß, kann jeder wissen - mein Herz habe ich allein.« - Die Leiden des jungen Werther - Am 9. Mai 1772

Impression. Impression. Impression.

Sie liebten sich beide

Sie liebten sich beide, doch keiner
Wollt’ es dem andern gestehn;
Sie sahen sich an so feindlich,
Und wollten vor Liebe vergehn.

Sie trennten sich endlich und sahn sich
Nur noch zuweilen im Traum;
Sie waren längst gestorben,
Und wußten es selber kaum.

Heinrich Heine

vom 13. November 2014

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Ein Herzdiktat, I

Deine Hügel formen die sanften Erhebungen der Landschaft, die ich so begehre. In dir sollte ich auf Wanderschaft gehen, und jeden Zentimeter deiner Haut wollte ich ergründen, jeder Millimeter sollte der meine sein.

Und dann dies:
Den Lippen ein Versprechen, der Haut einen Schwur aufgetragen, eingebrannt wie eine Tätowierung aus der Spitze verliebter Vollstreckung. Im Haar singt mein Spiel noch immer und sucht sich seinen Weg in den Olymp eines Kraters an Gefühl, den du so gerne bedeckst.
Tiefer:
Der Sehnsucht ein Anker, und ein Meer sein, in dem du nicht ertrinkst. Ein Meer, in das du dich fallen lassen kannst und nicht untergehst, wie der Himmel, der da immer bleibt und der dann, ganz tief in den Horizont hinein zu einem Eins geküsst seine Vollendung findet. Ein Eins, das niemand trennen kann.

Ach, ich bin zu müde darüber zu denken. Dir war ich gewesen, nur dir, wo deine Wimpern mein Verlangen umwebten und ihr Schlag den Staub auf dem Herzen entführte. In deinen Armen war nichts mehr zu wollen, was von Bedeutung wäre; in deinen Armen traf der Himmel aufs Meer.

Und dann:
Hier, im Nachhinein, da spielst du die Stücke der Melancholie wie eine Virtuose, erblüht aus der Furcht nicht mehr zu sehen, was man einst gefunden hat. Deine Lider sind bedeckt vom kühlem Tau des Morgen, eine Nacht wie die andere. Ein Tag, wie der andere. Ein Atmen wie das andere in den dumpfen Mauern der Bedeutungslosigkeit. Wirst du die Augen je wieder öffnen?

Und ich?
Ich mag anders fühlen. Es ist mein größtes Glück; doch zu Zeiten mein Gebrechen.
Ich habe mich verpuppt und verschlossen wie eine Raupe im Kokon der Enthaltenen erzähle ich die Geschichte vom kleinen Schmetterling, der auf Wanderschaft ging.

Lösch mir die Augen aus

Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehen,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.

Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.


R. M. Rilke, Lösch mir die Augen aus

vom 4. Oktober 2014

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Ich erinnere

Ich erinnere ein Bild,
es zeigte zwei
von uns
in liebender Statur
der Gebung hin und
zwigewachsen.

Doch Bilder sprechen nie
es zählt nur der Augenblick,
drum bleib nicht fern
komm nah
ganz so
als seist du nie entwachsen.

vom 4. Oktober 2014

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Ewig lieb

Ewig lieb
dein Antlitz mild
wie könnte ich vergessen,
dich geküsst
dich geliebt
im Herzen tief vermessen.

Dich gebaut
dein Bild geborgen
in honigsüßem Gedicht.
Dich umrahmt,
die Haut umworben
fand ich lächelnd dein Gesicht.

Als ich mich erkannt,
den Augen versunken;
Das Meer und das Land
sind ein ungleiches Paar.
Ach, was war ich
von Glück betrunken,
und doch weiß ich
was ich in dir sah.

vom 28. September 2014

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Nur zwei Dinge

Durch so viele Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
– ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.


G. Benn, Nur zwei Dinge

vom 28. September 2014

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Seelenwaise

Ich sehne mich
vertrauter Stern,
hier am Tag
wirkst du so fern

unantastbar
unverstanden
unerreichbar —
hab noch Fragen.

Ahnst du mich
wie einst gesagt
leucht den Weg,
dass ich gewagt;

dich zu finden
tief gefühlt;
dann zu halten
sanft berührt:

deine Seele
meine Seele
schreien unverholen
in die Nacht;
und ich sag dir,
dein Herz fehle
einst, da hab’ ich
‘ja’ gedacht.

Waise / April 2014

vom 13. September 2014

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