Der erste Tropfen
Auch schöne Frauen kotzen manchmal. Auch schöne Frauen ficken dich ins Knie. Auch schöne Frauen können dich mit ihrer Sanftheit die die verführerische Klinge nackten Wahnsinns stoßen. Du bist spät, aber es ist schön, dass du trotzdem hier bist.
Deine Knie rammen neben mir in den Boden, die Füße überspannen. Anatomisch, würde ich sagen, ist das jetzt wirklich ungünstig. Es knackt, aber es waren nicht deine Gelenke. Du gibst mir den Schlüssel, du traust meiner Loyalität, ich schaue dich an. Der Kübel über uns formt seinen ersten Tropfen. Du sagst, du bist bereit durch die Hölle zu gehen, aber du hockst hier. Darauf brauche ich dich nicht hinweisen. Deine Kraft röchelt durch den betäubenden Atem deines Körpers und der Schlüssel, den ich wegwerfen soll, steht mit mir hier, ungelenk und in entschlafener Macht. Wir beide wissen, dass ich das nicht könnte. „Nicht, weil ich dich so sehr mag“, lüge ich. „Aber ich habe hier einen Schlüssel, und, mal ehrlich, wer schmeißt denn bitteschön einen Schlüssel weg?“
Das war nicht überraschend. Also setze ich mich neben dich in das geschwärzte Braun und lege die Hand auf den fröstelnden Boden. Aus deinen Augen tropft der getroffene Fleck deiner Seele. Ich erzähle dir, wie ich letztens einen Schlüssel gefunden und mitgenommen habe. „Du weißt ja nie, was für Tore du damit einmal öffnen kannst“, füge ich pflichtbewusst hinzu. Mir entgeht nicht, dass dein Kopf sich tiefer in die Armbeuge krallt.
„Wenn du nicht nach vorne schauen willst“, beschließe ich in einem neuerlichen Versuch, „dann schaue irgendwann einmal zurück und sage mir, wie viele Fußspuren du siehst.“
Du wartest noch immer auf den ersten Tropfen.
Nun, er war schon längst da.
Aber ich eben auch.
vom 22. Februar 2011
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bye bye beauté
Und wir stehen uns gegenüber, seitlich an den Fensterrahmen gelehnt. Du mit deinem Johnny, an dem du vorsichtig nippst, ich mit meinem Tee, den ich gekonnt im Handgelenk kreisen lasse. Das Rot der Morgensonne lässt seine Farbfrequenz hinter dem massiven Wolkengestirn nur noch sacht erahnen. Gestern sah es besser aus.
Das war es. Es gibt keine Zukunft.
Wieder nickst du, und wieder deuten deine Augenlider nach unten, wieder vergräbst du dich in den Schutz eines Lebens, das dich schon längst verlassen hatte. Zumindest sehe ich das so, rein subjektiv.
Es ist ein wenig so wie in der Lyrik. Manche Dichter schreiben den Vers und suchen zwanghaft den Reim. Sie suchen die Bedeutung des jetzt mit jener der Vergangenheit zu überstülpen, die sicher, überschaubar ist, und sich zumindest schon einmal bewährt hat. Ich sehe das als Beschiss auf ganzer Linie. Vor dem Verskotzer selbst, vor den Lesern, vor den Hörern und, mein Schatz, vor mir.
Aber so ist es wohl, wenn man Schach mit den Regeln von Risiko spielt.
vom 13. Februar 2011
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Queer verpuzzelt.
Bitte, machen wir uns nichts vor: du hattest deine Chance. Einmal. Ein zweites Mal. Mittlerweile liegt es dort auf dem Seziertisch in seiner gekrusteten Lache und wir stellen fachmännisch fest: ja, es hat einmal geschlagen.
Dein bebender, warmer Körper wirkt wie so oft verletzlich, wenn er müde und zufrieden danieder, an mir, liegt. Du wirkst verletzlich, wenn das Wort dich stumm an die Wand schlägt. Und ich dich mit zarter Gewalt gegen sie presse, dich küsse. Du bist so viel mehr, aber du bist mein, wenn du weinst.
Wir müssen uns nicht fragen, was wir einander nehmen, ob wir uns benutzen oder missbrauchen. Wir müssen uns gar nichts mehr fragen. Was da war, ist erstickt, und verdunstet, um einmal in voller Kraft die Felder zu grünen, die es mehr verdienen als unseres. Ich ahne, dass dir der Abstraktionsgrad meiner Kälte nicht gefällt. Ich gehe und wundere mich, denn der Schmerz im Verlassen fehlt.
Du wirktest so gut als Puzzleteil eines Bildes, das ich sowieso nicht verstehe. Doch du passt nur, weil deine Markanz es zulässt: deine Laschen zu klein, deine Furchen zu tief. Das macht es langweilig und schwierig zugleich. Folglich bleibt auch keine Wahl außer derer des Betrugs, wir lächeln schwach – wenn nicht das, was können wir dann?
Es begann als Spiel, und als Spieler hast du mir auch deutlich besser gefallen. Darum ziehe ich jetzt den Springer so bleibt übrig, was übrig bleiben muss:
Schachmatt, mein Herz.
vom 9. Januar 2011
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Zweitausendzehn.
Zweitausendzehn. Das war Schlampenfieber, chemischer Hexenkessel, Reinigung und Freundschaft. Verwirrung, Behauptung, “Alors on danse”, und davon eine ganze Menge. Irgendwie auch Liebe, aber das .. verkorkst. Da war deine Hand in meiner Hand. Bei jeder Laterne ein Kuss und die Lichter tanzten. Spiel. Spontan zum Abendrot an den See, wo Sonne und Wasser sich lieben – nur wir nicht mehr. Sonnenuntergang und thanks god for living. Gummisofaschwippschwapp. Time for girls to act like little boys. Ach, geh doch einfach rein. Laue Sommerwinde in socii. Mückenattacke, ich glaube sie wollen nicht nur spielen. Kontrovers. Rückzug, Vorzug, wieder Rückzug. Landstraßenraserei und die Polomieze. Die beiden schönsten Eintöpfe meines Lebens. Konsequente Entscheidungen und ordnungsgemäße Inkonsequenz. Die Glut entflammt.
“Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch – eine neue Liebe erblüht.” – mein Glückskeks hatte recht. Hoheit, verschlossen und den Schlüssel verschluckt. Kontrovers, weil ebenso offen und Arsch gezeigt. Jagd und Gejagte. Mut und Flucht. Wiederkehr. Sommernacht – wo bist du hin? Die Uhr immer im Blick. Geh, doch ich halte dich fest. Bring das in Ordnung und sei lieb. Ist das ein Messer in meiner Brust? Selbstkasteiung. Unsicherheit. Ehrlich, und ich weiß bis heute nicht, ob wir damit umgehen können. Verdorben in Armbeugenkomik. Schwäche und Stärke. Hey, ich werde Wirtschaftsingenieurin! ICH kann das. Klirr. De Fußn, der bremst doch jetzt nicht! Willi! Herzschmerz, aber ganz in echt. Höhepunkte und in die Tiefe, aber deren Ableitung kenne ich immer noch nicht. Viel zu wenig Alkohol, aber damit ganz und gar zufrieden. Wände an Würsten und anders herum. KRÜMEL! Du weißt, jeder Augenblick ist vergänglich. Evergreen.
Zweitausendzehn war auch Metallbau, Staub und riesige Tanks, blühende Rosen und Nackedeibilder. Einsicht und Aussicht. Was für Augen. Ich meine ja wirklich ihre Augen. 8std-Gespräche und das Telefon zur Erlösung. Sucht. Zerbersten und drauf geschissen. Ich hass’ dich so. Nie ohne Zwinkern. Ich hasse dich aber immer noch. Versagen und Gewinn. Krankenhausbesuche. Totenbett. Ich bin ja der Meinung, man sollte eine Einstellung zu Leben und Tod haben. Lieber mehr zum Leben, zum Tod wäre blöd. Drama baby, more drama! Doch eigentlich ist es eher komisch. Pendelaffären und Fensterflut, wo ist eigentlich mein Gummiboot? Sex im Schnee. Mieze, so hatte er das aber bestimmt nicht gemeint.
Du bist die intelligenteste Frau, die ich kenne, aber mit der Liebe hast du’s echt nicht drauf. Was, hetero? Sie kennt dich bloß noch nicht.. Ich war auch wieder in einer Heterobeziehung! Du kennst dich ja auch noch nicht. Und jetzt: huiiiii! […] Das war aber gerade so nicht wirklich geplant, oder? Habe ich denn je geplant?
Geständnis und Lüge. Wir brauchen einander nicht vertrauen, wenn wir uns eh betrügen. Gut zu wissen. Ich weiß nicht, wie lange ich das aushalte. Ich glaube, ich halte gar nichts mehr. Was habe ich gestern gesagt? Nur weil ich mich gerne reden höre, musst du den Mist ja nicht glauben. DU trinkst Kaffee mit Milch?! Nein Schätzchen, das ist Likör.
Leben? Endlosschleife, und das ist so auch echt ok. Wirf doch so viele Banenenschalen wie du willst, ich mag ja Bananen.
Rutscht gut rein. Man muss nicht immer nur saufen.
Ja, du hast recht. Das war jetzt echt Quatsch.
vom 31. Dezember 2010
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Pirouettentaumel
Manchmal schaue ich meinen Worten staunend hinterher, wie sie orientierungslos durch den Raum tänzeln, beschwingt im Pirouettentaumel, gebannt gegen die nächste Wand schlottern und sich dann vor ihr auf dem Boden winden, paralysiert und leidend.
Manchmal schaue ich auch meinen Taten hinterher, ungläubig und doch loyal, denn wenn nicht ich – wer dann? Es gibt Entscheidungen, die ich verstehe, es gibt Wege, die zu gehen mir nur so interessant sind, weil sie unbezwingbar scheinen…und wo bleiben die Visionen? Doch was vermag der Schein? Ist er nicht nur eine Vorstellung, die so oft weder gekonnt, noch gewollt?
Wie meine Worte winde auch ich mich auf dem Boden, aber immer bin ich hinterher wieder aufgestanden und sammelte gewissenhaft meine zerfallenen Buchstaben ein. Vielleicht, um sie das nächste Mal besser einzusetzen, aber das scheint mir genauso ein Trugschluss zu sein wie ein wir. Denn letztlich geben sie den Rahmen für das, um dessen Rahmen wir uns sowieso nicht scheren. Folglich sage ich immer häufiger gar nichts mehr und so sträubt sich nach und nach auch der Grund, wieder aufzustehen.. und zu holen, was mir gehört.
vom 19. Dezember 2010
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Potentes Chaos
Kastriert und gefangen im eigenen Embargo. Doch nicht anders gewollt. Das wissen wir. Das wissen auch sie. Eigentlich wussten es alle und wahrhaben, nun. Wir lachen, denn wer will schon Wahrheit haben, die den Traum belügt? Man kann anklagen, man kann belächeln, staunen und auch schweigen. Aber sag mir, warum weinen?
vom 4. Dezember 2010
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Kapitelbruch
Wenn ich mein Herz frage, was es hier macht, muss ich dann nicht auch meinen Geist fragen, was er hier will, aber nicht darf?
Lebt man um der Liebe Willen, lebt man um der Arbeit? Lebt man um der Selbsterfüllung, oder um das als gesund beschlossene Mittelding für die jung-dynamische Unentschlossenheit? Für das Glück im Morgenrot, die gülden gewogene Verschwiegenheit im geabendlichten Gerstenfeld, oder den einsamen Schwan im beseelten Nachtsee?
Will ich sagen, mein Kapital sei die Liebe – glaubt ihr mir, oder stimmt ihr nur nickend ein, weil das ja irgendwie so sein muss in der heilvollen Welt zwischen fein geschmückter Bespaßungs- und Konsumentenrente?
Will ich sagen, mein Kapitell sei bestandslos, weil die Neuordnung im Minutentakt keinen Sinn für geschönte Applikationen erwartet?
Will ich sagen, mein Kapitel sei wie deines, weil wir es beide schreiben, weil wir es gemeinsam schreiben, auch wenn wir einander weder trauen noch trauen könnten, selbst wenn wir wollten?
Möchte ich am Ende deine Hand nehmen, weil ich ihren Schwung unter meiner Führung lieber sehe, denn unter anderer? Oder glaube ich tatsächlich an eine gedankenlose Besatzung? Bin ich albern? Du nicht?
Wenn ich dir sage, du seist mein Licht, findest du es dann nicht auch bedenklich, dass ich die Nacht bevorzuge? Wenn ich dir dann sage, du seist mein Stern, findest du es dann nicht auch bedenklich, dass Tausende allein mit dem Auge erkennbar sind?
Jedes Wort erlaubt die Flucht – und jeder Gedanke mehr übt sich mit dem letzten Biss in die verfrorene Säure der gefallenen Frucht.
Anders war es doch nie.
vom 22. November 2010
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