Ein Herzdiktat, I
Deine Hügel formen die sanften Erhebungen der Landschaft, die ich so begehre. In dir sollte ich auf Wanderschaft gehen, und jeden Zentimeter deiner Haut wollte ich ergründen, jeder Millimeter sollte der meine sein.
Und dann dies:
Den Lippen ein Versprechen, der Haut einen Schwur aufgetragen, eingebrannt wie eine Tätowierung aus der Spitze verliebter Vollstreckung. Im Haar singt mein Spiel noch immer und sucht sich seinen Weg in den Olymp eines Kraters an Gefühl, den du so gerne bedeckst.
Tiefer:
Der Sehnsucht ein Anker, und ein Meer sein, in dem du nicht ertrinkst. Ein Meer, in das du dich fallen lassen kannst und nicht untergehst, wie der Himmel, der da immer bleibt und der dann, ganz tief in den Horizont hinein zu einem Eins geküsst seine Vollendung findet. Ein Eins, das niemand trennen kann.
Ach, ich bin zu müde darüber zu denken. Dir war ich gewesen, nur dir, wo deine Wimpern mein Verlangen umwebten und ihr Schlag den Staub auf dem Herzen entführte. In deinen Armen war nichts mehr zu wollen, was von Bedeutung wäre; in deinen Armen traf der Himmel aufs Meer.
Und dann:
Hier, im Nachhinein, da spielst du die Stücke der Melancholie wie eine Virtuose, erblüht aus der Furcht nicht mehr zu sehen, was man einst gefunden hat. Deine Lider sind bedeckt vom kühlem Tau des Morgen, eine Nacht wie die andere. Ein Tag, wie der andere. Ein Atmen wie das andere in den dumpfen Mauern der Bedeutungslosigkeit. Wirst du die Augen je wieder öffnen?
Und ich?
Ich mag anders fühlen. Es ist mein größtes Glück; doch zu Zeiten mein Gebrechen.
Ich habe mich verpuppt und verschlossen wie eine Raupe im Kokon der Enthaltenen erzähle ich die Geschichte vom kleinen Schmetterling, der auf Wanderschaft ging.
vom 8. November 2014
Das Jahr ist reif geworden
Das Jahr ist reif geworden. Hoch über uns speien die ziehenden Kraniche ihre Rufe. Etwas zaghaft noch, etwas unentschlossen suchen sie den Weg, formieren sich, formieren sich um, fliegen zurück, fliegen vor. Sie kreisen über uns, als wollten sie noch etwas loswerden, ihren Gruß zum Abschied, ein letztes Wort zum Schluss? Vielleicht. Doch sie, sie können wir nicht aufhalten. Wir könnten ihnen ein Schauspiel bieten, eine romantische Komödie, halbherzig umgesetzt, dass sie noch bleiben. Doch sie suchen sich ihren Weg ja doch und schwirren davon, in die Sonne, mit mächtigen Flügelschlägen. Auf und ab. Einfach davon.
Es ist, was du dir für dich gewünscht hattest. Es ist das, was dein Mund mir auf die Lippen schrieb, so ganz bestimmt. Lass sie davon. Doch es darben die Abdrücke, die eine andere mir ließ; die einbrannten auf der Haut; viel bestimmter, viel verlockender, viel wahrer als alles, was du mir mit deinem Munde nur brächtest.
Hier ist ein Weg, düster verzaubert, voll entzückend kreischender Krähen auf den Ästen an ihm entlang. Unter ihnen die Welt voller Staub, Zirkeln, Steine, Splitter. Bäume, die sich auftun dem Unheil einen Schatten zu spenden und Falltüren, die verschlucken, wonach es sie sehnt. Es ist ein Pfad, den du mit deinen zarten Füßen nicht zu gehen vermagst; aber es ist der Pfad zu mir.
Die Krähen bleiben immer, doch die Kraniche ziehen weiter. In der Ferne hört man sie noch in ihr Leben rufen. Mit ihnen zieht die Wärme, das frische Grün, die Düfte und der Blumen feinste Kleider in unseren Händen. Ihre Flügel spielen es, das Lied der sanften Aufkündigung und hinterlassen ein Schlachtfeld aus gewittrigen Winden, das fortan unser Zuhause ist.
Eine Sinfonie.
vom 19. Oktober 2014
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Why would I want them to?
“You’ll get over it…” It’s the clichés that cause the trouble. To lose someone you love is to alter your life for ever. You don’t get over it because “it” is the person you loved. The pain stops, there are new people, but the gap never closes. How could it?
The particularness of someone who mattered enough to grieve over is not made anodyne by death. This hole in my heart is in the shape of you and no-one else can fit it. Why would I want them to?Written on the Body, Jeanette Winterson
vom 12. Oktober 2014
Wenn der Tag die Nacht besiegt
Am Morgen ist diese Stadt einzigartig. Eingedeckt im blau- und rotblassen Aufwachen liegt sie da und wird von einer schonungslosen Unschuld überzogen. Nur leichte Bedenken von Schleierwolken umkreisen die junge Sonne und einige Krähen sitzen mit mir oben auf den Dächern und geben ihre Stimme in den Tag hinein.
Es ist zu fühlen, wie der Tau an den alten Blüten bricht; sie umwirbt und an ihnen hinabfällt. Es ist zu spüren, wie leichte Nebelschleier über dem Waldboden zum Erliegen kommen und ihren kurzen Moment genießen, als sei er unendlich.
Darüber färben sich die ersten Blätter in den Baumkronen gelblich güldenrot und voller Sehnsucht in den Herbst hinein, als seien sie nur dafür gemacht. Langsam erheben sich auch die goldenen Lichtwellen und fluten die Körper und Stimmen der rufenden Krähen, die Schönheit der Blüten, die Andacht der Baumkronen und dringen vor zum feucht-jungen Moos, das die Erde bedeckt.
Es ist ganz windstill, denn es gibt keinen Grund für die tosenden Luftmassen, die die drolligen Menschenköpfe durchwirbeln und ihre dunklen Gedanken wegschieben; denn es gibt sie nicht, zumindest noch nicht. Eingehöhlt in ihren Menschen, eingehöhlt in einem dicken Geflecht aus Decken und Kissen und Träumen der vergangenen Nacht schlafen sie ja alle noch und tanken Kraft für ihren neuen Krieg der Selbstbehauptung auf den Straßen, in den Supermärkten, den Galerien und Museen, den Cafés, in den Familien und auf den Sportplätzen.
Natürlich bin da auch noch ich, und auch Mensch und auch ich habe meine zwiträchtigen Gedanken, die kämpferisch sind; voll Eifer und egoistischer Liebe.
Es ist nur: wenn du die vollkommende Schönheit zulässt, die dir die Natur an einem solchen Morgen diktiert als sei es eine ihrer leichtesten Übungen; wenn du sie erkennst und annimmst: »Na, wer bist du da schon?«
vom 27. September 2014
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Wege
Der schönste aller Wege ist der, den Du voll Überzeugung in Deinem Herzen trägst. Du kannst ihm nicht immer folgen, sonst würdest Du mitunter seine Schönheit verkennen; doch Du kannst ihn wissen, ganz tief, ganz beherbergt in einem Gedicht, das sich tief in Dir ein Zuhause geschaffen hat.
Von all den Träumen, die ich wohl hatte, die man unweigerlich hat, oder haben sollte, so man denn jung ist und Mensch, vor allem aber Mensch; denn man könnte auch alt sein und trotzdem ganz wunderbar träumen, auch wenn einem im Altsein meist noch anderes hält als die Hingabe zu Phantasmen;
von all den Träumen waren mir jene die lieben, die sich nicht im Konjunktiv erschließen ließen. Die nicht sagen »ich würde ja gerne«, sondern »ich werde« oder doch zumindest »ich will«. Denn der Konjunktiv, so wunderbar er für Denker ist, für Wortklaubereien und Weltrettungsdiskussionen, so unbrauchbar ist er für das einzelne, für das echte Leben. Weil er Hintertüren lässt, Platz für Unsicherheiten und Zweifel; kurzum: weil er schwach ist. Etwas, das in der Jugend noch seinen natürlichen Charme hat, ist in einem Leben fehlplatziert, das vorankommen will, das Ziele kennt, sich seine Schuhe anzieht, seinen Rucksack aufsetzt und aufbricht um irgendwann genau dorthin zu gelangen.
Solange wir uns aus der Unsicherheit heraus immer nur in vagen Möglichkeiten hin und her bewegen, werden wir zwar punktuell voran kommen, aber auch immer wieder zurückfallen, um dann später doch wieder fragend auf der gleichen Stelle zu stehen und uns verzweifelnd schüchterne Blicke zuzuwerfen.
Tatsächlich sind die Menschen mir die interessantesten, die lieber mit 180 gegen die nächste Wand fahren, als jene, die mutlos alle Möglichkeiten evaluieren und waglos bleiben. Das mag im ersten Moment sadistisch klingen, ist aber nur zu einem kleinen unleugbaren Teil in mir so gemeint. Menschen, die sich erlauben, auch mal Fehler zu machen, auf der großen Reise ihres Lebens auch mal neugierig unwissend den vermeintlich unglücklicheren Pfad einschlagen und dies voller Überzeugung tun, haben etwas in sich, von dem die ewig Unschlüssigen in ihrer Komfortzone maximal eine ferne Ahnung haben: Visionen.
So werden nicht die die Glücklichen sein, denen nie etwas zugestoßen ist, weil sie nie etwas gewagt haben, sondern die, die unwissend lachend in die wilden, tosenden Fluten sprangen. Ganz einfach weil auch zu wissen, was man nicht will, uns näher an das bringt, was wir wollen – zumindest doch wohl näher, als eben gar nichts zu wissen.
vom 20. September 2014
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Als die Nacht mich nahm
Ich setze mich auf den Sessel, halb zu ihr gewandt, halb dem Bild zu, das ich so mag.
»Wie geht es Ihnen?«
»Die poetische oder die klare Version?«
»Ich mag Ihre Poesie.«
»Als die Nacht mich nahm, nahm sie mich ganz.«
vom 13. September 2014
Wenn zwei Seelen sich aufspannen sich zu berühren
Wenn zwei Seelen sich aufspannen sich zu berühren, ist es immer auch ein Spiel mit dem Feuer. Ich habe gespielt, ich habe mich verbrannt; aber verloren, das habe ich nicht.
Es sind Dinge, die wir nie über einander wissen werden; Dinge, die uns immer wieder zu einander ziehen mögen, wie ein zärtlich geknüpftes Band in der Dunkelheit. Ohne zu sehen, ohne es greifen zu können liegt es danieder, wenn wir es nicht brauchen und stämmt sich kräftig, wenn eine fällt.
Findest du nicht auch? Es ist sonderbar, ein solches Band. Auch wenn Welten zwischen uns liegen mögen, Jahre und Orte; es verbleibt, als würde es sich nichts machen aus dem Geist, der die Länder, ihre Höhen und die Tiefen beschreibt. Von mal zu mal scheint es gar, als würde es sich lustig machen über die vielen Worte, die doch nichts sagen können, weil sie nur einem Verstand entspringen, der dies nicht weiß.
Was wir wirklich fühlen, liegt und bleibt in uns, bis wir einmal auf jemanden treffen, der nicht danach fragen muss. Der sieht und fühlt. Der liebt und hält und erkennt, dass ein Wort nie so mächtig sein kann wie der Augenblick, wie das Gefühl, aus dem es sinnt.
vom 10. September 2014
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