[divalent gestrebt, unendlich)

Und wo es sonst so hinführt.

»Ach, was ich weiß, kann jeder wissen - mein Herz habe ich allein.« - Die Leiden des jungen Werther - Am 9. Mai 1772

Impression. Impression. Impression.

für immer, habe ich gesagt

Ein Mensch kann dir sein ‘für immer’ geben:
‘Für immer’ werden wir Freunde sein. ‘Für immer’ werden wir wir sein. ‘Für immer’ werde ich morgens neben dir aufwachen und dieses zerknautschte Gesicht suchen, dieses, das so einzigartig an dir ist. ‘Für immer, my love, für immer’.

Wir tätowieren es uns in die Haut, ins Herz, vielleicht sogar in den Kopf und wir glauben daran, du und ich. Weil wir daran glauben müssen. Aber das ‘für immer’ eines Menschen gilt nicht für das ‘Immer’, sondern immer nur für den Moment ‘für immer’. Es ist keine Lüge; es ist die unumkehrbare Widmung des Moments an das Gegenüber, etwas, das dir nie wieder jemand nehmen kann, eine romantische Liebeserklärung, die dir gehört – ich weiß nicht, wieviel schönere Sachen auf der Welt es gibt, aber viele sind es nicht.
In der Logik ist das uns allen klar. ‘Für immer und ewig’ kann kein naturelles Produkt sein, weil wir selbst nicht für die Ewigkeit ausgelegt sind. Doch in der Tragik halten wir daran fest. Du hast doch ‘für immer’ gesagt. Eingewickelt in deiner ‘für immer’-Erinnerung, die dich benebelt und garantie-illusioniert, hüpfst du da auf einem Minenfeld herum und verlierst erst dein linkes Bein, dein rechtes Bein, deine Arme, deinen Bauch – und dann kommt es darauf an: Was muss zuerst daran glauben?
Ist es das Herz? Willst du wirklich wie ein herzloser, verkopfter Irrer herumlaufen, empathielos und radikal?
Oder ist es der Kopf? Verbleibst du als illusionsgesteuerter Werther in einer Traumwelt, in der ‘für immer’ nichts als naive, trotzige Romantik überbleibt, inklusive der Aufkündigung deinerselbst?

In beiden Fällen können wir dir eigentlich gleich die Kugel geben – ich spreche da aus Erfahrung. Gar nicht, weil du willig bist, dich selbst zu zerstören für ein ‘für immer’, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein musste; du bist eben blöd (nichts für ungut), aber das wusstest du ja schon (nichts für ungut).
Es geht tiefer: der Zauber einer Liebeserklärung verbleibt, wenn wir sie belassen, wie sie gemeint war. Wenn wir sie akzeptieren und schätzen für das, was sie ist: eine seelennahe Widmung ins Herz, die wir uns irgendwann, irgendwo auf der Kreuzung unserer Wege gaben.

Für immer, habe ich gesagt.
Und es so gemeint.

aus einem sommernachtsbuch, liebesworte

unter umständen sind es diese blicke. diese, kurz bevor das dunkel die welt küsst und deine augen; dich umschließt und nicht mehr loslässt. es sind nur stunden und es fühlt sich für immer an.
ich höre mich in deine welt hauchen, ein letztes mal; wenn du nur sehen könntest, wie sehr mein körper zittert, wie sehr die sommernacht mich frösteln lässt und ich mir nichts sehnlicher wünsche als deine ahnung an mir, du mein balsam;

dann bist du fort.
ich bleibe,
eingerollt in dein gedicht
wo mein hunger
grenzenlos
nach dir ergriffen
und sage:
für dich
ja.

Wer weiß schon, ob ich Dir nicht nahe bin

Worte, die Gedanken machen. Und Tränen.

Ich werde Dir fehlen, Du wirst Dich fragen, warum ich nicht mehr da bin, und Du wirst traurig sein. Einen geliebten Menschen zu verlieren ist immer schmerzhaft, am schlimmsten jedoch dürfte der Verlust eines Kindes sein, weil das nicht der natürlichen Ordnung der Dinge entspricht. Aber die Vorstellung von der Zeit ist eine menschliche Erfindung. Ich glaube, die Römer haben den ersten Kalender mit Tagen, Monaten und Jahren ersonnen. Mir kommt es vor, als hätte ich ewig gelebt. Vielleicht habe ich das auch.
Ich hatte nie das Gefühl, ganz von dieser Welt zu sein. Eines Tages enden wir alle dort, wo ich jetzt bin. Unser Körper macht uns füreinander sichtbar; unsere Seele stirbt nicht. Wer weiß schon, ob ich Dir nicht nahe bin und um Dich herumtanze, wenn Du dort oben auf dem Felsen sitzt, auch wenn Du mich nicht sehen kannst?
aus: Das Mädchen auf den Klippen, Lucinda Riley

Aber die Vorstellung von der Zeit ist eine menschliche Erfindung.

vergessen

wenn es nacht ist und tief, dann wiegt die einsamkeit uns am schlaf vorbei in die tausend fragezeichen hinter dem warum. nah sind wir uns, wie wir uns näher nicht sein könnten. nur ertragen können wir es nicht.
aber betäuben können wir uns, du und ich. den rausch fühlen und das chaos bestimmen. wir können uns neben herzen legen, belieben und verlassen.
aber eines kann ich nicht: vergessen.

vom 3. Oktober 2013

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Politisch motivierte Unterhaltung

Ein Nachwort zur ‘hart aber fair’-Sendung am 30.09.2013

Ich weiß nicht, ob Du den Sachverhalt verfolgst, ob er Dir zu banal ist oder einfach uninteressant, weil politisch motiviertes Machtgeplänkel zur Demonstration des total ‘offenen’ Diskurses in einem natürlich (!) absolut freien Sprachrohr.

Ich fasse den Handlungsstrang also kurz zusammen:
In einer Sendung des ÖRR trafen sich unsere Politgenies Norbert Röttgen (CDU), Sahra Wagenknecht (DIE LINKE), Frank Lehmann, Bernd Lucke (AfD) und Ralf Stegner (SPD) zum munter einstudierten Schlagabtausch unter dem klasse Titel: “Steuern, Schulden, Eurorettung – werden wir jetzt abkassiert?” (Zum Podcast.)
Falls jemanden die Antwort interessiert: ja, werden wir. Aber dafür hätte man keine Diskussion initiieren müssen um dem Bürger einen möglichen variablen Ausgang zu suggerieren. Das hätte dann natürlich nichts mit dem Unterhaltungswert von Politsoaps zu tun – doch das nur am Rande.

Tatsächlich interessant wurde es erst, als das Schäfchen des ÖRR der Moderator Herr Plasberg in der guten alten Journalistenschule grabbelte, um dem Teilnehmer auf den Zahn zu fühlen, bei dem es versprach am spannendsten zu werden:
Er wies den Mitbegründer der AfD auf seinen womöglich rechtspolitisch motivierten Wortschatz hin, mit welchem er in seinen Reden unserer Demokratie eine Entartung ihrerselbst beipflichtet.
Da schlagen die Alarmglocken der Einfältigkeit fraglos Sturm. Und der rechts verlängerte Arm unserer Parteienlandschaft konnte kaum mehr, als sich auf Vergleiche mit anderen Wissenschaften berufen, die den Begriff in einem völlig anderen Kontext verwenden. Ja bravo, noch jemand Popcorn?

Ich weiß kaum, wo ich zuerst anfangen soll, denn wohin ich auch schaue – das dargebotene Schauspiel war aus jedem Blickwinkel einfach nur schwach.

Der Professor und die Reflektion

Da haben wir zunächst einmal den Professor der Volkswirtschaftslehre, Herrn Lucke. Man mag von seinem politischen Kurs halten, was man will – aber in dem Moment, in dem er sich mit einem Parteiprogramm zur Wahl stellt und Politik machen will, hebt er sich selbst in einen Bereich der Verantwortung, der zur Reflektion zwingen muss. Ein Mensch, der den Kurs Deutschlands mitbestimmen will – als selbsternannte Alternative – muss sich der Identifikation mit dem Land bewusst sein. Dazu zählt auch seine Geschichte und die Teile davon, in denen wir (unsere Vorgenerationen) als Kollektiv verdammt nochmal Scheiße gebaut haben.
Natürlich ist das Wort der Entartung nicht zur Zeit des Nationalsozialismus entstanden, aber hier wurde es für rassistisch-populistische Zwecke missbraucht. In einer Zeit (oh diese Floskel..), in der in anderen Ländern mit nationalsozialistischer Symbolik gegen unsere Regierung Stimmung gemacht wird, ist das ein denkbar falsches Zeichen.
Eine Partei / ein Parteimitglied, die/das sich dessen nicht bewusst ist oder bewusst sein will, spricht sich selbst seine Wählbarkeit ab. Da man einem lehrenden Professor soviel kognitives Vermögen durchaus unterstellen können sollte, liegt der Verdacht einer gezielten Mobilmachung nunmal nicht fern.

Der Unterhalter und die Profession

Dass dieser Sachverhalt ein gefundenes Fressen für eine Pseudo-Diskussionsrunde zur besten Unterhaltungszeit im deutschen Fernsehen ist, machen wir uns mal nichts vor, dürfte ebenso wenig überraschend wie klar sein. Diese Sendung ist überhaupt nicht zum demokratisch dialogischen Lösungsfindungsprozess konzipiert. Es ist vielmehr ein darstellendes Spiel der Partei- und der Selbstprofilierung aller Beteiligten unter dem Vorwand einer politisch motivierten Diskussion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Wer sich also verwundbar zeigt, wird angegriffen und im Sinne einer inszenierten Spannungskurve ausgenommen wie ein Festtagsbraten. Das spricht sicher nicht für Qualität, aber.. ähm? ;-)

Die gestillte Audienz

Und dann zu uns, der Schaar, der Reaktion, die da sitzt, den Kopf schüttelt, aufschreit und wild alle Nazi-Schubladen öffnet, die gerade so einfallen, weil da einer ein vergangenheitsträchtiges Wort gesagt hat.
Sind wir denn wirklich so engstirnig, dass wir glauben, das alles sei so einfach? Der einzige Grund, der uns dazu verführt, ist die lähmende Angst vor dem, was war. Wir sind doch glücklich, wenn jemand so offensiv vorgeht und uns Griffstücke zeigt, mit denen wir ihn am Kragen packen und eintüten können. Wenn wir uns dann wie die Geier auf ihn gestürzt haben, sind wir besänftigt in der oberflächlichen Bekämpfung unserer obstruktiven Angst und können uns als Rächer des guten Geschmacks wieder entspannt auf dem Sofa zurücklehnen. Das ist toll, ehrlich.

Zu gerne aber vergessen wir dabei: Die wahre Gefahr geht nie von der Offensichtlichkeit aus. Sie bleibt versteckt in der nebulösen Unwissenheit des Du und ich.

vom 2. Oktober 2013

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deine wangen in falten

wenn mein wort dich trifft und du schmunzelst, legen sich deine wangen in falten als würde ein stein das wasser berühren und die kleinen wellen entfachen, denen wir als kinder so staunend nachschauten. wie steine, die eintauchen in die tiefe des meeres, stelle ich mir vor, wie mein wort einbricht in die tiefe in dir und überlege, was es wohl sehen könnte dort, was ich einfach nie sehen werde, weil es dir gehört.

deine wangen in falten

Der Kern

Der Kern unserer Existenz mag kaum darin liegen, anderen schön aufzutreten und ihnen das Recht an einem selbst abzusprechen, als sei man eine Strohpuppe, die jederzeit angezündet werden könnte von den Funken eines Wesens, das einem so strahlend und hell erscheint. Das da sitzen könnte und mit seinem Feuerzeug vor den eigenen leblosen Fasern rumspielt, zu denen man sich verkommen ließ, weil man sich selbst verlor, dort irgendwo zwischen Himmel und Hölle seiner Sehnsucht.
Der Kern eines jeden kann nur sein, grenzenlos selbst zu sein, zu leben, zu lieben und zu geben.

Aber wenn Du doch liebst, ein Geschöpf, das schöner ist als jedes andere. Das Du empor hälst, weil niemand es berühren soll, das Du stark beschützen willst, weil es niemand brechen darf?

Dann sag mir doch, wie Du es selbst berühren willst, wenn Du es hoch hältst? Wenn Du all Deine Kraft dafür gibst, im Glauben etwas zu schützen, was womöglich gar nicht beschützt werden will, oder kann?
Nein, ein jeder muss sich selbst halten, um stark für die Liebe zu sein und dem anderen auf gleicher Höhe entgegenzutreten. Das kann nicht funktionieren, wenn Du Dein Wesen in die Wolken hebst, weil es niemand berühren soll. Du würdest es doch selbst nur von unten sehen im schillernden Glanz des Sonnenlichts über Dir. Und wenn Du dann doch stolperst – und das wirst Du, weil Du nun einmal Mensch bist -, und plötzlich dies bezaubernde Wesen vor Dir liegt, und ihr euch aus dieser neuen Perspektive kaum noch zu erkennen vermögt und euch fortan fremd erscheint?

Fremd? Wie sprichst Du über die Liebe?

Du hast recht, die Liebe kennt keine Fremde. Aber was Du da veranstaltest ist kaum mehr als falsch verstandene Romantik. Das, was Du da veranstaltest, unterliegt jener logischen Halbwertszeit, wie man sie sonst nur von Radionukliden kennt. Nun, Du verstehst mehr von der Physik als ich.

Du bist hart.

Und Du, mein Herz, hast das Recht erkannt zu werden als die, die Du bist. Das widerum nur gelingen kann, wenn Du selbst bereit bist zu erkennen.

vom 9. September 2013

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